Dissertationen am ZHF

Das Dissertationsvorhaben beschreibt den Reichstag des Heiligen Römischen Reiches im 16. Jahrhundert in seiner Eigenschaft als diplomatisches Forum europäischer Fürsten und untersucht das Beispiel der englischen Reichstagsgesandten. Im Zentrum der Fragestellungen steht dabei das Wirken der Akteure in Repräsentation, Verhandlung und Information – kurz: den diplomatischen Praktiken und Wahrnehmungen am Reichstag. Der Zeitraum der Untersuchung setzt mit der Regierungszeit Heinrichs VIII. (reg. 1509–1547) an und schließt mit dem Ende der Tudor-Dynastie unter Elisabeth I. (reg. 1558–1603). Mit der Zeitspanne über das 16. Jahrhundert sollen Brüche und Kontinuitäten der englischen Reichstagsdiplomatie untersucht werden und in Zusammenhang mit der Entwicklung der Institution selbst gestellt werden.
Als Forum der symbolischen Kommunikation kommt dem performativem Auftreten englischer Reichstagsgesandter ebenso Bedeutung zu wie deren Informationsakquise und politischer Verhandlungsführung. Die Biographien des Gesandtenpersonals (Thomas Challoner, Christopher Mundt, Henry Cobham, George Gilpin u.a.) bilden einen Ausgangspunkt der Analyse.
Die Bearbeitung erfolgt anhand englischer (The National Archives, British Library u.a.) und reichsständischer Überlieferung sowie durch Quellen aus dem Reichstagsumfeld (Druckwerke, Medien).

Kontakt: jonas.bechtold[at]uni-bonn.de

Betreuer: Prof. Dr. Michael Rohrschneider

Die Rolle der Reichsstände auf dem Westfälischen Friedenskongress ist im Gegensatz zum Wirken der auswärtigen Mächte wie auch der kaiserlichen Seite nur wenig erforscht. Das Vorhaben will in diesem Sinne die Beratungen der drei reichsständischen Kurien (Kurfürstenrat, Fürstenrat und Städterat) vergleichend untersuchen.

Quellengrundlage der Arbeit ist die im Rahmen der Acta Pacis Westphalicae erarbeitete Edition der reichsständischen Beratungsprotokolle. Ergänzt wird diese durch weiteres Material wie etwa die Instruktionen der reichsständischen Gesandten oder die Protokolle des Corpus Catholicorum und Corpus Evangelicorum.

Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf die zur Anwendung kommenden Verfahrenspraktiken, welche grundsätzlich von essentieller Bedeutung waren, um einen strukturierten Ablauf der Verhandlungen zu sichern, aber auch, um Räume für die Inszenierung von Rang und Status eines jeden Teilnehmers zu schaffen. Vorarbeiten haben gezeigt, dass auch die sogenannten „mindermächtigen“ Akteure am Westfälischen Friedenskongress wie etwa die Reichsstädte Verfahrenspraktiken in diesem Sinn verstanden, gezielt ausübten oder auch bewusst boykottierten.

Themenfelder, bei denen diese Strategien zum Tragen kamen, waren etwa die je nach Situation und Akteur unterschiedliche Wahrnehmung des Kongresses als ein conventus extraordinarius oder ein „Quasi-Reichstag“, die teils problematische Rollenvielfalt der Gesandten, die oftmals neben mehreren Reichsständen auch eigene Interessen der Statusrepräsentation vertraten, die Inszenierung der Sitzordnung und der protokollierten Abstimmungen in den Kurien sowie die Besetzung und Durchführung von Deputationen zu anderen Kongressteilnehmern.

Über diese Themenfelder sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede reichsständischer Verhandlungspraktiken herausgearbeitet werden, um so einen Beitrag für das Verständnis frühneuzeitlicher Friedenskongresse zu leisten.

Kontakt: s3algerb[at]uni-bonn.de
Betreuer: Prof. Dr. Michael Rohrschneider

In den letzten Jahren sind die Themen Beutekunst und Raubkunst verstärkt in der Öffentlichkeit präsent. Durch den Fund der Sammlung Gurlitt und die Raubgrabungen des IS im Nahen Osten rückte die Thematik in den Fokus. Beute machen, und speziell das Aneignen von Kunstgegenständen, ist seit jeher mit kriegerischen Auseinandersetzungen verknüpft. Während beispielsweise die Napoleonischen Kriege oder der Zweite Weltkrieg in dieser Hinsicht gut erforscht sind, gilt dies für die Epoche der Frühen Neuzeit nicht. In diese Lücke möchte mein Dissertationsvorhaben stoßen und das Thema Kunstraub während des Dreißigjährigen Krieges untersuchen. Dabei soll neben den bekannten, spektakulären Fällen wie dem Raub der Bibliotheca Palatina in Heidelberg durch die katholische Liga (1622) und dem schwedischen Beutezug in Prag (1648) paradigmatisch eine Auswahl der größeren und kleineren Fälle betrachtet werden, die im Laufe von drei Jahrzehnten begangen wurden.

Ziel der Arbeit ist es herauszuarbeiten, von welchen Motiven die Akteure geleitet und wie die Beute ausgewählt wurde. Zudem soll untersucht werden, ob, und wenn ja, welche rechtlichen Grundlagen die Plünderungen legitimierten. Ebenfalls soll untersucht werden, was die neuen Besitzer mit den Kunstgütern machten, d.h. in welche neuen Kontexte sie gestellt wurden. Darüber hinaus ist zu prüfen, welche Regelungen die Friedensverträge hinsichtlich der Restitution trafen.

Die Literaturlage ist vergleichsweise disparat. Die bekannten Fälle sind gut aufgearbeitet, während zu den kleineren kaum Untersuchungen vorliegen. Die Quellen liegen insbesondere in München, Wien, Prag, der Vatikanstadt und Stockholm.

Kontakt: s5mamall[at]uni-bonn.de
Betreuer: Prof. Dr. Michael Rohrschneider

Der Immerwährende Reichstag (1663–1806) des Heiligen Römischen Reiches hat in der Frühneuzeitforschung erst in den letzten Jahrzehnten größere Aufmerksamkeit und Wertschätzung gefunden. Seine Erforschung weist nach wie vor zahlreiche Defizite auf. Ein von den macht- und nationalstaatlichen Einflüssen in der Historiographie des 19. und weiter Teile des 20. Jahrhunderts jedoch noch unbelastetes, recht differenziertes Bild von Reich und Reichstag ist in der nach dem Westfälischen Frieden aufwachsenden Reichspublizistik – als wissenschaftlicher Reflexion über das sogenannte ius publicum Imperii, dessen Verfassung, Politik und des politischen Denkens – anzutreffen. Auf ihre reichhaltigen Produkte greift die heutige Reichstagsforschung immer wieder zurück, jedoch eher selektiv und häufig losgelöst von der ethisch-religiösen, wissenschaftlichen oder politischen Prägung der Verfasser und ihren Intentionen. Eine Gesamtschau auf das Bild des Reichstags in der Reichspublizistik fehlt bisher.
Ziel des Dissertationsvorhabens ist es, in einer systematischen Gesamtbetrachtung die Darstellungsweisen und Wertungen einflussreicher Reichspublizisten unterschiedlicher Couleur – quasi als Angehöriger einer zeitgenössischen ‚Deutungselite’ – zu den vielfältigen Aspekten des Immerwährenden Reichstags herauszuarbeiten; durch deren Gegenüberstellung soll das vielschichtige Spektrum durchaus uneinheitlicher Auffassungen zum Reichstag im Kontext der Reichsverfassung in ihrer jeweiligen Zeit- und Situationsgebundenheit zutage gefördert werden. Schlüsselfragen sind dabei: Wie beschreiben und beurteilen die Verfasser jeweils Rolle, Funktionen und politische Realität des Immerwährenden Reichstags? Welche wesentlichen Aspekte bleiben ausgespart? Wieweit sind ihre Auffassungen zum Reichstag durch bestimmte Blickwinkel geprägt? Wo liegen Gemeinsamkeiten und Differenzen und wie lassen sich diese begründen? Welche Folgerungen lassen sich aus der vergleichenden Analyse für die heutige Forschung ziehen? Insgesamt soll so ein Beitrag zum besseren Verstehen des Immerwährenden Reichstags in seiner Zeit geleistet werden.

Kontakt: andreaspost[at]uni-bonn.de
Betreuer: Prof. Dr. Michael Rohrschneider

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